F: Herr Tonchev, Sie sind ein Vertreter der Finanzindustrie in der Wirtschaftskammer Wien. Was sind die Hauptprobleme, die durch die Corona-Krise verursacht werden, mit denen dieses Unternehmen konfrontiert ist?
Ich würde nicht sagen, dass die Branche vor Problemen steht, aber es gibt verschiedene Herausforderungen.
Unsere Arbeit baut auf gegenseitigem Vertrauen auf, und dieses entsteht größtenteils durch persönliche Kommunikation. Daher stellen sich die Fragen, wie sicher Online-Beratungen sind, wie gut die Berater selbst auf diese Art der Kommunikation vorbereitet sind, wie sie die Treffen organisieren und wie sie sich weiterbilden können.
Auf der anderen Seite hat die Corona-Krise den Bedarf an unserem Beruf dramatisch erhöht und die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen ist deutlich gestiegen. Deshalb ist es eine unserer Aufgaben in der Wirtschaftskammer, den Beruf “Finanzberater” noch attraktiver zu machen und darzustellen, damit sich mehr junge Menschen daran orientieren können.
F: Der Schwerpunkt Ihrer Arbeit als unabhängiger Finanzberater ist die Baufinanzierung für Privatpersonen. Hat die aktuelle Krise die Banken bei der Kreditvergabe kulanter gemacht?
A: Ja, auf jeden Fall! Die Banken haben im Moment sehr viel Geld und sogar die meisten von ihnen werden gezwungen, Geldstrafen zu zahlen, weil sie es bei sich behalten und nicht in der Wirtschaft zirkulieren lassen. Die Hypothekenkonditionen sind jetzt so niedrig wie nie zuvor, aber einen solchen Kredit zu bekommen, hängt auch von einer Reihe von Kriterien ab! Das heißt, auf der einen Seite wollen die Banken Kredite vergeben, deren Kriterien auf europäischer Ebene festgelegt sind, und sie müssen diese einhalten. Andererseits wollen nicht alle Menschen in solchen dynamischen Zeiten verschulden und Kredite aufnehmen.
F: Wie wirkt sich diese Situation auf den Immobilienmarkt in Wien aus?
A: In Krisenzeiten suchen die Menschen nach Sicherheit und finden diese meist in Immobilien oder Gold!
Die Banken vergeben nicht leichter Kredite, aber sie vergeben sie zu besseren Konditionen, was sie automatisch für die Verbraucher attraktiver macht. Wenn mehr Menschen bereit sind, ein Hypothekendarlehen aufzunehmen, führt dies auch zu einer höheren Nachfrage auf dem Immobilienmarkt, was wiederum zu einem Preisanstieg oder zumindest zu keinem Rückgang der Immobilienpreise führt! Dies gilt natürlich nur für bestimmte Bereiche und Immobilienkategorien. Derzeit sind Gewerbeflächen weniger gefragt als private Immobilien.
F: Die aktuelle Krise hat nicht nur die Pläne der Menschen durcheinander gebracht, sondern auch ihre finanzielle Situation.Welchen Rat würden Sie denen geben, die einen spürbaren Rückgang der Finanzen spüren?
A: Was jeder tun kann, ist, einen vollständigen Blick auf seine aktuellen Ausgaben zu werfen und zu überlegen, welche davon noch benötigt werden und ob es etwas gibt, was optimiert werden kann. Aber auch hier ist es wichtig, sich fachkundig beraten zu lassen, um zu prüfen, welche gesetzlichen Fristen gelten und um eventuelle Verluste oder Strafen bei der Kündigung des einen oder anderen Vertrages abzuschätzen. Die meisten Branchenkollegen stellen ihren Kunden die Beratung und Prüfung bestehender Verträge kostenlos!
F: Haben sich jedoch neue Investitionsmöglichkeiten ergeben?
A: Ja, auf jeden Fall! Jede Krise ist natürlich auch eine Chance. Krisen dienen auch dazu, die Wirtschaft und die Märkte in verschiedenen Sektoren wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Und das ist ganz normal – wenn etwas in die falsche Richtung gelaufen ist, kommt der Zeitpunkt, an dem es korrigiert wird. Man kann nicht immer, jedes einzelne Jahr, Wirtschaftswachstum und einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von Ländern haben. Bei Direktinvestitionen ermöglicht die Situation Investitionen zu niedrigeren Preisen oder günstigeren Konditionen, was die Gewinnwahrscheinlichkeit um ein Vielfaches erhöht.
F: Eine aktuelle Umfrage von Gullap ergab, dass fast jeder Zweite in Österreich sein Finanzwissen als “unzureichend” einstuft. Was denken Sie, wie können junge Menschen ihr Finanz- und Anlagewissen verbessern?
A: Ja, leider schließe ich mich dieser Meinung auch an und versuche, die finanzielle und ökonomische Bildung der heranwachsenden Generation ebenfalls zu verbessern! Auch in der Handelskammer diskutieren wir dieses Thema. Das Problem ist, dass es sehr tiefgründig ist und in keiner Form der Ausbildung in mehr als 30 Stunden behandelt wird. Mit neuen Initiativen und Informationsmaterialien wird versucht, dies zu ändern. Persönlich habe ich auch Ideen und Projekte für die Durchführung von Online-Seminaren und Kursen in Form von Videos, um Alltagsthemen und deren Besonderheiten zu erklären. Diese werden auch für die Bulgaren in Österreich nützlich sein. Ich hoffe, bald die nötige Unterstützung zu haben und unsere Entwicklung in diese Richtung zu fördern.
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